Die Alarmglocken klingen lauter als je zuvor, schließt UN-Generalsekretär António Guterres aus dem neuen Report des Weltklimarats (IPCC): der Klimawandel ist hier. Kein Mensch ist sicher, und es müssen schnellstens tiefgreifende Lebensänderungen vorgenommen werden, um weitere Gefahren abzuwenden. Die gute Nachricht des Weltklimarats ist: die heutigen Generationen können noch die Weichen stellen, um die schlimmsten Folgen abzuwenden. "Wenn nicht wir handeln - wer dann?" sagte Inger Andersen, die Generalsekretärin des UN-Umweltprogramms (UNEP). Was kann jeder tun?Zwei Dinge, sagt Klimaforscher Dirk Notz vom Max-Planck-Institut für Meteorologie, der Deutschen Presse-Agentur. "Erstens können die Menschen auf gesellschaftlicher und politischer Ebene das Maximum an Klimaschutz sicherstellen, also der Politik den Willen zum Klimaschutz klar kommunizieren. Zweitens kann jeder Mensch natürlich individuell zum Klimaschutz beitragen, zum Beispiel in den Bereichen Konsum, Ernährung, Fliegen und Autofahren." Weniger Wegwerfprodukte heißt das, weniger Fleisch essen, öfter den Zug als das Auto nehmen und im näheren Umfeld Fahrrad statt Auto fahren. Weniger Fleischessen hilft, weil Kühe und Schafe Methan ausstoßen und weil riesige Flächen für den Anbau von Tierfutter nötig sind. Dafür werden Wälder gerodet, die CO2 ansonsten binden könnten."Ich habe den Eindruck, dass die Gesellschaft zumindest im Prinzip deutlich bereiter für einschneidende Klimamaßnahmen ist als die Politik es wahrnimmt", sagt Notz. "Sie hört nach meinem Eindruck teilweise noch zu sehr auf einzelne Lobby-Interessen."Dass das Leben nicht so weitergehen wird wie bisher, ist schon klar: Heizöl, Benzin und Diesel sind durch den CO2-Preis, den Unternehmen für den Ausstoß von Treibhausgasen zahlen müssen, schon teurer geworden. Bundesforschungsministerin Anja Karliczek will den CO2-Preis bei Bedarf weiter anziehen, um die Emissionen runterzubringen - damit würde auch der Preis von Benzin und Diesel weiter steigen. Sie schließt auch ein Ende des innerdeutschen Flugverkehrs nicht aus. Dann müsse der öffentliche Verkehr etwa mit Schnellstrecken ausgebaut werden, sagt sie: "Das darf aber nicht 30 Jahre dauern. Das ist eine Entscheidung, die wir im nächsten Koalitionsvertrag fixieren müssen."
Manche Klimawandel-Folgen sind allerdings schon jetzt unumkehrbar
Extreme Ereignisse wie die jüngsten Überschwemmungen in Deutschland werden nach dem Bericht mit steigender Treibhausgaskonzentration häufiger. Um gute Vorhersagen zu machen, müsse mehr in Klimamodelle investiert werden, sagte Peter Knippertz vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) der dpa. "Es werden Milliarden für Raumfahrt oder Teilchenbeschleuniger ausgegeben, aber wir sollten nicht vergessen, dass wir hier Dinge diskutieren, die mehr Auswirkungen auf unser tägliches Leben haben und in der Zukunft haben werden."Manche Klimawandel-Folgen sind schon jetzt unumkehrbar, und die betreffen auch Deutschland. Zum Beispiel der Anstieg des Meeresspiegels, der sich egal, wie scharf die Klimaschutzmaßnahmen sind, auf Jahrhunderte fortsetzen wird. Die deutschen Küsten seien aber gut gewappnet, sagt Notz. Die Behörden haben bereits Vorkehrungen für einen Anstieg um einen Meter eingeplant bei Hauptdeichen den Ausbau für einen Zwei-Meter-Anstieg einkalkuliert. Erwartet werden laut Bericht des Weltklimarats bis Ende des Jahrhunderts etwa 62 Zentimeter - wenn der Temperaturanstieg auf höchstens zwei Grad gegenüber vorindustriellem Niveau begrenzt wird."Inwiefern alle zehn Halligen weiter existieren können ist unklar", sagt Notz aber. "Im Moment wird diskutiert, ob zumindest die bewohnten Bereiche auf technischem Weg zusätzlich geschützt werden können." Strände könnten bei genügendem Platz im Hinterland zurückwandern und grundsätzlich erhalten bleiben. "Der Erhalt des Wattenmeeres in seiner heutigen Form wäre fraglich, da bei einem schnell steigenden Meeresspiegel größere Bereiche der Sedimente, die heute bei Ebbe das "trockene" Wattenmeer bilden, permanent unter Wasser stünden."
Bedeutet Klimaschutz einen Verlust von Lebensqualität? Nein, sagen Experten und Politik
Weit verbreitet ist die Befürchtung, dass der Klimaschutz mit Entbehrungen einhergeht und den Verlust von Lebensqualität bedeutet. Falsch, sagen Wissenschaft und Politik. "Man könnte mit mehr Klimaschutz auch das Leben entschleunigen und viele Menschen glücklicher machen", sagt Knippertz. "Autofreie Städte beispielsweise: man hätte weniger Krach und Abgase, mehr Platz für Kinder, für Begegnungen, könnte Nahrung anbauen." Mit weniger Stress und mehr Fahrradfahren seien die Menschen gesünder. "Wir bräuchten keine Tiere mehr in Massenhaltung zu quälen und unser Wasser nicht mit Nitrat aus Intensivlandwirtschaft zu belasten."Auch auf andere Art könnte Deutschland sich die alarmierenden Entwicklungen zunutze machen. "Ich hoffe, dass wir die deutsche Ingenieurskunst nutzen, um Technologien und Produkte für Klimaneutralität zu entwickeln", sagt Notz. "Das sind die Märkte der Zukunft, die sollte man aus rein volkswirtschaftlichem Interesse nicht nur anderen überlassen." Diese Chance will Forschungsministerin Karliczek fördern: "Deutsche Technologien für den Klimaschutz sollen Exportschlager werden", sagt sie. "Ich möchte, dass Deutschland auch zur Herzkammer der Klimaschutztechnologien wird."In gleichem Atemzug sollen Entwicklungsländer gefördert werden: Deutschland unterstütze Länder in Westafrika, eine Wasserstoffwirtschaft und Lieferketten aufzubauen, sagt Karliczek. "Das soll einen Wirtschaftsboom in diesen Ländern auslösen. Damit tun wir etwas für das Klima, für uns, und für unsere Partnerländer."(Christiane Oelrich, dpa)