Gegen Eier: Als Hühner verkleidete Peta-Models servieren vegane Süssigkeiten in Washington. (Bild: Reuters)
Die Welt wird immer gefährlicher, das ist Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, bestimmt auch schon aufgefallen. Was hatten wir dieses Jahr bereits: Fukushima, Eurokrise und jetzt das Atomwaffenprogramm des Irans. Aber Gefahr für die Menschheit dräut auch direkt vor unserer Haustüre, im Schoss der Familie. Wild gewordene Sexualpädagogen bedrohen den sexuellen Frieden unsere Kindergärtner mit plüschgefertigten männlichen und weiblichen Geschlechtsteilen in Sexboxen. Und jetzt kommen auch noch die Veganer, so eine Art High-End-Körnlipicker, die ihren Kindern nicht nur Fleisch und Milchprodukte, sondern auch das lebenswichtige Vitamin B12 vorenthalten. Veganer nagen damit, so legte ein viel diskutierter Bericht im «Tages-Anzeiger» nahe, nicht nur an Kartoffeln und Rüben, nein, sondern direkt an der Wurzel unserer Gesellschaft, indem sie immer mehr Kinder mit ihrer grotesken Ernährungsideologie indoktrinieren und sie wettbewerbsunfähig machen.
Ja, vielleicht sind Eltern heute für ihre Kinder die allergrösste Bedrohung, wie der «Tages-Anzeiger» festhielt, der aus diesen zwei Fällen, die sich doch immerhin im Zeitraum von nur sieben Jahren abspielten, flugs einen neuen Trend bastelte. Und den Bioethiker Rouven Porz vom Inselspital Bern um eine Stellungnahme bat.
Dieser fasste mal kurz zusammen: Jede Art von Ideologie beinhalte auch ein Quäntchen Fundamentalismus, was ethisch bedenklich sei, denn da Fundamentalisten sich nicht in andere Perspektiven hinein denken könnten, tendierten sie automatisch dazu, andere zu gefährden. Zum Beispiel eben die Veganer. Und da müsse die Gesellschaft eingreifen, hiess es. Eltern, so führte der Ethiker weiter aus, seien dazu verpflichtet, ihre Kinder nach den Werten der Gesellschaft zu erziehen. Deshalb müsse, wo Eltern versagen, die Gesellschaft, sprich der Staat einschreiten. Ein Tabuthema, wie der Bioethiker bemerkt: «Es gibt Momente, in denen die Eltern nicht für ihre Kinder entscheiden dürfen. Weil sie eben manchmal falsch entscheiden.»
Oha, Eltern entscheiden zuweilen falsch? Skandal! Aber zum Glück haben wir diese Schwachstelle auf dem Weg zum kollektiven Glück entdeckt, denn nun können wir Massnahmen ergreifen. Denn Kinder gehören zwar rechtlich ihren Eltern , wie der Bioethiker uns belehrt, nicht aber moralisch ethisch. In dieser Hinsicht, worunter auch Fragen nach Sinn und Unsinn veganer Ernährung subsumiert werden, gehörten die Kinder uns allen.
Ich sympathisiere nicht mit Veganern. Seit man mir in einem Gault-Millaut-Restaurant einmal statt eines simplen vegetarisches Menues ein veganes auftischte und ich während des Essens unkntrolliert aus dem Mund sabberte beim Blick auf all die tierisch leckeren Rahmhäubchen, zartschmelzenden Buttersaucen und Gratins auf dem Teller meines Partners, von denen der meine sorgfältig isoliert wurde, bin ich zum Schluss gekommen: Wenn ich mir die Leber ruinieren will, dann lieber mit Saufen, das wäre für mich und meine Mitmenschen wesentlich lustiger. Und trotzdem würde es mir nicht im Traum einfallen, die halbgaren Weisheiten dieses Bioethikers über die Gefährdung unserer Kinder durch fundamentalistischen Veganismus zu schlucken.
Die Eltern müssten einfach bis zum achtzehnten Geburtstag ihrer Kinder warten, danach dürften sie versuchen, ihnen ihre Ideologie näher zu bringen, sagt Rouven Porz. Sehr gute Idee. Und bis dahin sperren wir die Kinder in staatliche Erziehungsheime, wo sie mit der kollektiven, staatlich beglaubigten und nach dem neuesten Stand der Wissenschaft anerkannten, ungefährlichen, unideologischen, unfundamentalistischen Wertehaltungen gefüttert werden.
Der Typ hat etwas falsch verstanden. Zuerst müssen wir in aller Deutlichkeit festhalten: Die geschilderten Fälle ideologischer Verwirrung von Eltern, die zur Gefährdung der Kinder führte, sind tragische Einzelfälle, kein Trend. Und ja, Erziehung IST nichts anderes als die Vermittlung einer Wertehaltung. Und wenn es heute einen Trend diesbezüglich gibt, dann doch wohl eher der, dass Eltern eine konzise Wertehaltung in ihrer Erziehung vermissen lassen. Wenn jedes elterliche Fehlverhalten, jede Wertehaltung flugs in eine Ideologie oder fundamentalistische Überzeugung umgedeutet wird und dazu führt, dass den Eltern das ethisch-moralische Recht auf ihre Kinder abgesprochen wird, darf dann jedes Mal der Staat ran, um unseren Kindern die rechte Grundhaltung einzuimpfen? Und welches ist dann die rechte Grundhaltung? Dass eine Schweinswurst zum Mittagessen dazu gehört, dass Fondue mindestens fünf Mal pro Jahr auf dem Menueplan stehen muss?
Wenn es einen Trend zu Ideologie und Fundamentalismus gibt, dann dürfte der nicht in erster Linie bei den Eltern zu suchen sein, sondern bei Journalisten, die Einzelfälle zu Bedrohungstrends hochschreiben, staatlich geprüften Erziehern, die jede Abweichung von der Norm pathologisieren und Bioethikern, die wohl am liebsten Ethikpolizisten auf dem Pausenplatz patrouillieren und die Znüniböxli der Kinder kontrollieren lassen würden, um jeden, nicht den den gemeinsamen gesellschaftlichen Werten entsprechender Snack auszumerzen.