von Svenja Napp
03.06.2021, 21:13 Uhr
Pflanzenmilch hat Konjunktur in Deutschland und lockt viele Käufer mit einer guten Ökobilanz. Aber auch unter den Milchalternativen gibt es große Unterschiede. Ein Überblick.
Die Regale für Milchalternativen füllen sich in den Supermärkten. Hatte man die erdig-schmeckenden Pflanzendrinks lange in die Öko-Ecke verdrängt, sind sie heute fester Bestandteil der Lebensmittelhändler und ihre Auswahl wächst stetig.
Der Konsum von Kuhmilch geht hingegen seit 2014 kontinuierlich zurück. Das gute Image des gesunden Getränks für Jedermann kann die Milchindustrie schon lange nicht mehr aufrechterhalten. Studien verweisen auf Zusammenhänge zwischen dem Verzehr und bestimmten Krankheiten und Umweltschützer kritisieren die Auswirkungen der Massentierhaltung auf unser Klima.
Aber wie sieht es eigentlich mit den Alternativen aus? Ist jede Pflanzenmilch automatisch nachhaltig? Welche Sorten in welchem Maße in die Umwelt eingreifen und wie es um ihre Nährstoffe bestellt ist, lesen Sie hier im Überblick.
Reismilch
Reismilch besteht im Wesentlichen aus Vollkornreis und Wasser und schmeckt im Vergleich zu anderen Pflanzendrinks süßlicher. Das liegt an den vielen Kohlenhydraten, die sich in Zucker aufspalten. Für die Herstellung wird Vollkornreis gekocht und püriert, mit Wasser vermischt, gefiltert und anschließend fermentiert oder mit Emulgatoren versetzt, damit die Konsistenz erhalten bleibt.
Gesundheit
Reismilch wird gerne als besonders gesunde Milchalternative betrachtet, weil sie gluten- und lactosefrei ist und die gesunden Eigenschaften von Vollkornreis verspricht. Letzterer wird allerdings während der Verarbeitung soweit rausgefiltert, dass nur noch ein Bruchteil des gesunden Korns in der fertigen Milch landet. Einige Hersteller ergänzen deshalb Zusatzstoffe wie Kalzium oder bestimmte Geschmacksstoffe. Um mehr Inhaltsstoffe des Naturreises in der Milch zu enthalten, kann man Reismilch (wie jede andere Pflanzenmilch) auch selber machen – Anleitungen dazu finden sich im Internet, zum Beispiel hier.
Umweltauswirkungen
Reisdrinks haben im Vergleich zu anderen Milchalternativen einen größeren Umwelteinfluss – das liegt vor allem an der Anbauweise. Reis wächst auf gefluteten Feldern und verbraucht so deutlich mehr Wasser als zum Beispiel Hafer oder Soja. Wissenschaftler der Universität Oxford haben im Jahr 2018 Daten von 40.000 Höfen weltweit ausgewertet und die Umwelteinflüsse von Kuhmilch, Soja-, Hafer-, Reis- und Mandeldrinks errechnet. Für einen Liter Reismilch werden demnach 270 Liter Wasser verbraucht, für einen Liter Sojamilch nur 28. Vergleicht man allerdings die Reismilch mit Kuhmilch, steht sie in punkto Wasserverbrauch immer noch gut dar: 628 Liter Wasser werden in der Herstellung von einem Liter Kuhmilch gebraucht.
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Sojamilch
Sojamilch ist derzeit die beliebteste Pflanzenmilch – wenn auch Hafermilch in großen Schritten zu ihr aufschließt. Sojamilch wird aus Sojabohnen und Wasser hergestellt und hat einen erdigen, nussigen Geschmack. Damit aus den getrockneten, gelblichen Sojabohnen das fertige Getränk wird, werden sie eingeweicht und püriert. Es gibt eine chinesische und eine japanische Herstellungsweise, die sich darin unterscheiden, nach welchem Arbeitsschritt die Sojamasse gefiltert wird. In beiden Fällen muss das Soja für mindestens 20 Minuten gekocht werden, um verdauungshemmende Giftstoffe aus der Bohne zu entfernen.
Gesundheit
Sojamilch hat im Vergleich zu anderen Pflanzendrinks einen hohen Protein-Anteil (ca. 3,5 g pro 100 g). Unser Körper kann pflanzliches Eiweiß besser verwerten als tierisches. In Sojadrinks sind außerdem viele wichtige Vitamine enthalten und die Bohnen sind reich an mehrfach ungesättigten Fettsäuren, die als gesund für unser Herz-Kreislauf-System gelten.
Umweltauswirkungen
In Sachen Ökobilanz hält sich der Mythos hartnäckig, für Sojamilch würden in Südamerika große Flächen Regenwald gerodet. Es stimmt zwar, dass in Brasilien große Flächen der tropischen Wälder für den Anbau von Soja gefällt werden, allerdings wird das Soja aus dem südamerikanischen Land laut WWF zu 80 Prozent für die Produktion von Tierfutter verwendet. Das Soja für unsere Milchdrinks hingegen, stammt fast ausnahmslos aus Europa – weit entfernt vom Regenwald. Ökotest hat bei den größten Sojamilch Herstellern Alnatura, Alpro, dm, Natumi und Provamel nachgefragt. Das Ergebnis: Fast alle Hersteller bauen ihre Sojabohnen in Europa an, nur Alpro bezieht seine Sojabohnen zu 40 Prozent aus Kanada – der Rest kommt ebenfalls aus Europa.
Wie bereits erwähnt hat Sojamilch außerdem einen extrem geringen Wasserverbrauch.
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Mandelmilch
Mandelmilch wurde schon im Mittelalter getrunken und war aufgrund ihrer rein pflanzlichen Zusammensetzung als Fastenspeise beliebt. In der Gegend um Neapel wurde sie im 19. Jahrhundert sogar als Mittel gegen die Darmerkrankung Ruhr verabreicht. Zur Herstellung werden frisch gemahlene und geröstete Mandeln mit heißem Wasser übergossen und mehrere Stunden ziehen gelassen. Anschließend wird die Mandelmilch abgefiltert.
Gesundheit
Mandelmilch ist frei von Gluten und eignet sich auch für Menschen, die Soja nicht vertragen. Sie enthält nur etwa zwei bis zehn Prozent Mandeln und hat entsprechend wenig Kalorien. Auch der Zuckergehalt ist deutlich niedriger als bei anderen Pflanzendrinks und bei Kuhmilch – vorausgesetzt, es wird kein Zucker vom Hersteller zugesetzt. Gerade bei Mandelmilch wird das häufig getan, um den erdigen Geschmack der naturbelassenen Mandelmilch zu versüßen. Dann allerdings kann die Mandelmilch zur Kalorienbombe werden, obwohl sie im Naturzustand mit 30 Kilokalorien pro 100 Millilitern eine sehr "schlanke" Milchalternative ist.
Umweltauswirkungen
Der Knackpunkt der Mandelmilch kommt mit ihren Umweltauswirkungen. Nach Angaben der Forscher aus der Universität Oxford setzt ein Liter Mandelmilch im Vergleich zu Reis-, Soja- und Haferdrinks zwar am wenigsten CO2 frei, verbraucht aber deutlich mehr Wasser: 371 Liter für einen Liter Mandelmilch. Der hohe Wasserverbrauch erklärt sich dadurch, dass nach Angaben der Albert-Schweitzer-Stiftung 80 Prozent der weltweit verarbeiteten Mandeln aus Kalifornien stammen, wo die Bäume aufgrund der hohen Temperaturen ständig bewässert werden müssen.
Darüberhinaus mehren sich die Berichte darüber, dass der massenhafte Anbau von Mandeln erheblich zum Bienensterben beiträgt. Um die Mandelbäume zu bestäuben, werden im großen Stil Bienenvölker von Wanderimkern auf den Plantagen eingesetzt. Dafür werden die Bienen häufig transportiert und sind einer montonen, pestizidbelasteten Umgebung ausgesetzt – beides schwächt das Immunsystem der Tiere. Wie in jeder anderen Massentierhaltung werden auch hier Krankheiten besonders schnell übertragen.
GEO-Autorin Christine Heidemann hat mit einem sogenannten "Bienen-Broker" gesprochen, der seine Bienenvölker jedes Jahr auf verschiedenen Mandelbaumplantagen in Nordamerika einsetzt.
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Hafermilch
Haferdrinks erleben seit einiger Zeit einen regen Aufschwung. Besonders Kaffeetrinker haben sich auf die Milchalternative eingeschossen, weil sie wenig Eigengeschmack hat und sich gut aufschäumen lässt.
Gesundheit
Hafer ist ein sehr gesundes Getreide, das viel essentielle Aminosäure und Mineralstoffe wie Kalium und Magnesium enthält. Außerdem stecken im Hafer jede Menge sättigende Ballaststoffe, die sich positiv auf den Cholesterinspiegel und die Verdauung auswirken können.
Zur Herstellung werden die Haferkörner entspelzt – also von den feinen Härchen befreit, die sich um das Korn legen – und anschließend mit Wasser vermengt und gemahlen. Am Ende werden die festen Bestandteile herausgefiltert.
Umweltauswirkungen
Am Aufschwung der Hafermilch nicht unbeteiligt ist der schwedische Hafermilch-Hersteller Oatly, dessen Gewinne sich im vergangenen Jahr mehr als verdoppelten. Dabei sieht sich das Unternehmen mehr als Klimaretter, denn als einfacher Lebensmittelproduzent: "Der Klimawandel ist eine unserer größten Herausforderungen", sagte Oatly-CEO Petersson gegenüber dem Handelsblatt und rechnet vor, dass der Griff zur Hafermilch statt zur Kuhmilch die negativen Umweltauswirkungen um 75 Prozent reduzieren würde. Auch wenn sich diese Zahlen auf eine Studie beziehen, die von Oatly selbst in Auftrag gegeben wurde, scheint die Hafermilch in Sachen Ökobilanz tatsächlich ganz weit vorne zu liegen. Die Wissenschaftler aus Oxford errechnen einen Wasserverbrauch von nur 48 Litern pro Liter Hafermilch, das Albert-Schweitzer-Institut betont außerdem die kurzen Transportwege des Hafers und spricht von einem "Heimvorteil". Hafer kann fast überall in Europa angebaut werden; Oatly bezieht seinen Hafer ausschließlich aus der schwedischen Heimat, der deutsche Hersteller Berief baut nur in Deutschland an.
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Pflanzenmilch: Wer kauft, muss sich informieren
Die Gründe dafür, dass immer mehr Menschen zu Pflanzendrinks greifen, um Kuhmilch zu ersetzen, sind sicherlich vielfältig. Wer damit allerdings die Umwelt entlasten möchte, sollte auf das Anbaugebiet achten und auf die Bedingungen, unter denen angebaut wird.
Was die gesundheitlichen Vorteile der Milchalternativen betrifft, macht man wohl wenig falsch, noch vieles richtig. Das Problem mit allen Pflanzendrinks ist, dass es sich um Industrieprodukte handelt, die so gründlich gefiltert werden, das von den ursprünglichen Vitaminen von Hafer, Soja und Co. nur noch wenig in der fertigen Milch zu finden ist. Viele Hersteller füllen diese Lücke, indem sie zum Beispiel Kalzium zusetzen. Beim Sojadrink von Alpro erhöht sich der Kalzium-Gehalt mit entsprechendem Zusatz um das Zehnfache und ist damit leicht bedarfsdeckend. Wer die guten Nährstoffe seiner Pflanzenmilch erhalten will, kann sie auch selber machen – das ist kein Hexenwerk und Anleitungen finden sich zuhauf.
Wer lieber kauft, sollte darauf achten, ungesüßte Varianten zu wählen. Viele Pflanzendrinks sind mit Zucker versetzt – sicher auch, um Kunden anzulocken. Der Geschmack einiger Pflanzendrinks ist tatsächlich beim ersten Probieren für viele Menschen gewöhnungsbedürftig. Das einzige, das hilft: Verschiedene Sorten ausprobieren und langsam auf den Geschmack kommen. Besonders Hafermilch eignet sich gut, wenn man bisher nur Kuhmilch mag. Sie hat nicht nur wenig Eigengeschmack, sondern ganz nebenbei auch die beste Ökobilanz unter den Milchalternativen.
Quellen: WWF, Studie der Universität Oxford, Albert-Schweizer-Stiftung, Ökotest, Handelsblatt
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