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us dem Maschinenraum brummt es tief, fast meditativ. Den Bug der „Magnifique IV“ umspült glucksend das Fahrwasser. Am Ufer gleiten Wochenendhäuser, Wohnriegel, Windräder vorbei. Parallel zum Amsterdam-Rijnkanaal heizen auf einem Radweg die Biker entlang, Richtung Radlerhochburg Utrecht. Der Wind bläst. Ein Ausschnitt einer Hollandreise, wie sie kaum holländischer sein könnte.
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Wasser und Land haben sich die Menschen im Nachbarland bekanntermaßen gefügig gemacht. Und so geht es erst mal geradeaus auf dem Highway der Binnenschifffahrt, auf dem diese Flusskreuzfahrt beginnt.
100.000 Schiffe im Jahr zählt man auf dem Amsterdam-Rijn-Kanaal, es herrscht buntes Treiben, Kähne überholen die „Magnifique IV“ im Zeitlupentempo, Sportboote kommen ihr schneller entgegen. Dann, gegen Abend, durchbrummt das Schiff die erleuchtete Industriekulisse Utrechts.
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Die „Magnifique IV“ ist ein zum Passagierschiff umgebauter Lastkahn, berichtet Kapitän Walter van Berkum nicht ohne Stolz – er war es, der den Umbau des 1964 gebauten Nutzschiffes durchführte. Im Bug stehen ordentlich aufgereiht drei Dutzend Fahrräder. Sand, Schotter oder Tierfutter beförderte das Schiff früher – und heute kleine Gästegruppen, die bei Landgängen mit den Rädern ausschwärmen. 16 Reisende sind an Bord gegangen. In normalen Zeiten nimmt van Berkum 36 Passagiere mit. Doch die Zeiten sind nicht normal.
Auf dem Fluss gibt es immer etwas zu sehen
Kreuzfahrten auf Fließgewässern erlebten vor Corona einen Boom. Das Interesse an dieser Reiseform ist weiterhin groß, inzwischen haben mehrere Reedereien die Wiederaufnahme von Flusskreuzfahrten gestartet oder angekündigt, etwa Nicko Cruises, A-Rosa oder Croisi Europe. Allerdings mit beschränkter Passagierzahl und mit strengen Hygienekonzepten.
Der Vorteil von Flusskreuzfahrten: Es gibt immer etwas zu sehen. Eintönige Seetage, wie sie an Bord der Kreuzfahrtriesen auf dem Meer üblich sind, die gibt es nicht, sagt Kapitän Berkum und blickt von der Brücke in die Ferne.
Hafenidylle, vom Schiff aus fotografiert
Quelle: p+o/ Stefan Weissenborn
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Am Voorhavendijk in Utrechts Vorort Nieuwegein macht der Kahn über Nacht fest. Am Morgen schaltet sich Hester van Vliet, Guide von Boat Bike, per Kurzbriefing über WhatsApp ein: „Wir radeln heute über ruhige Wege durch Südholland.“ Die Crew entlädt die Räder, auf dem Deich verteilt Hester laminierte Zettel mit der Route: „Hängt sie Euch einfach an den Fahrradlenker.“
In Holland gibt es ein idiotensicheres Radverkehrsleitsystem: das Radwegenetz der Knotenpunkte (Knooppunten). An Kreuzungen stehen Schilder mit Nummern, die zugleich die Richtung zum nächsten Knotenpunkt mit Kilometerangaben anzeigen. So strampeln sich auch die Flusskreuzfahrtradler ganz analog von Punkt zu Punkt, ohne Navi-App.
Mehr Wasserstraßen als Autobahnen
Es gibt kaum eine typischere Reiseform als Fahrradflusskreuzfahrten, um Holland kennenzulernen. Mittel der Fortbewegung sind das allseits beliebte Fahrrad und das omnipräsente Wasser. 2400 Kilometer an Autobahnen gibt es, mehr als doppelt so lang ist das Wasserstraßennetz – das niederländische Radwegenetz übertrifft mit mehr als 35.000 Kilometer jedoch alles.
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Auf einer Kombi-Tour mit Schiff und Fahrrad werden die Teilnehmer zu Kreuzfahrern, die nicht nur dabei sind, sondern immer wieder mittendrin: Mal sitzt man im Blubberwasser des Whirlpools an Deck und genießt das vorüberziehende Land; manchmal bleibt der Blick an den Deichen hängen, über die einzelne Häuserspitzen lugen. Mal lässt man sich durchs malerische Polderland strampelnd den Wind um die Nase wehen, der im platten Land leichtes Spiel hat. Es geht entlang von schmalen Kanälen, in denen Wasservögel abtauchen, durch Dörfer aus kleinen Backsteinhäusern mit Reetdach.
Schleuse am Amsterdam-Rijn-Kanaal
Quelle: Niederlande
An einem der Knotenpunkte, mit 4,40 Meter unter dem Meeresspiegel laut Hester einer der niedrigsten Orte der Niederlande, macht die Radlergruppe halt. Das Land unter den Füßen würde wie viele Orte in Holland versumpfen – wenn nicht andauernd Elektropumpen liefen, sagt Hester. „Man muss sich schützen vor den Flüssen und vor dem Meer.“
Jeder Zentimeter Wasserunterschied werde gemanagt: „Unsere Wasser-Expertise ist ein gefragtes Exportgut.“ Was die Wasserkunst hervorbringt, zeigt die Weiterfahrt: rechts vom Radweg ein Kanal, links daneben ein saftig grüner Deich – hinter dem ebenfalls Wasser fließt, allerdings auf zwei Meter höherem Niveau.
Die Niederlande wie im Werbespot
Am Ufer des Lek, Mündungsarm im Rheindelta und für niederländische Verhältnisse fast wild, sehen die Reiseteilnehmer vom breiten Sandstrand aus ihr schwimmendes Hotel vorbeischippern, die „Magnifique IV“ auf dem Weg zum nächsten Nachtliegeplatz, Berkum lässt das Schiffshorn ertönen.
Weiter gehts im Sattel durch holländische Postkartenmotive: Über meist asphaltierte Fietspaden erreicht die Gruppe Schoonhoven, die „Silberstadt“ Hollands. Hier widmete man sich vor Jahrhunderten, anders als in der nahen Käsestadt Gouda, aus wirtschaftlicher Not der Schmiedekunst – die die Auslagen der Geschäfte dominiert.
Sakralbau der Backsteingotik: die Grote Kerk in Dordrecht
Quelle: Stefan Weissenborn
Die Pedalkraft trägt die Radler weiter ins Epizentrum holländischer Sehenswürdigkeiten – nach Kinderdijk im Südosten Rotterdams, Unesco-Erbe. Nirgendwo sonst stehen so viele Windmühlen so hübsch arrangiert. In vorindustriellen Zeiten pumpten sie das Wasser, um die Polder urbar zu machen.
Der Radweg führt entlang der Wasserstraße, an der sich die geflügelten Gebäude aus dem 18. Jahrhundert aufreihen – man kommt sich vor wie in einem Holland-Werbespot. Dazu passt, dass am Gastro-Fahrrad frisch gebackene Poffertjes, puderzuckerbestäubte Minipfannkuchen, angeboten werden, eine Art Nationalsüßspeise.
Das Beste aus beiden Welten
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Später geht es vom nahen Alblasserdam mit dem „Waterbus“, der viele Radler an Bord genommen hat, nach Dordrecht, eine der ältesten Städte der Niederlande mit Stadtrechten seit 1220, wo man die Häuser schief baute, um die Fassaden auf der Wetterseite vor Regen zu schützen. Die „Magnifique IV“ liegt schon am Kai, „das Hotel fährt immer mit“, sagt Schiffsbaumeister Berkum; die Tagesetappen im Sattel sind zwischen 30 und 60 Kilometer lang.
Meist wird in der Gruppe gefahren, doch es gibt auch die Möglichkeit, allein zu radeln. Die nächste Etappe von gut 60 Kilometern nutzen einige der Reiseteilnehmer, um ohne Begleitung entlang der Knotenpunkte durch das weite Ackerland Zeelands zu fahren. Sie durchstrampeln von Kanälen gerahmte Apfelplantagen, Pferdekoppeln, mit Linden bestandene Deiche – und Tholen, stellvertretend für die vielen Inseln und Halbinseln der Provinz und zudem eine hübsche, unaufgeregte Kleinstadt.
Manche Klischees stimmen – zum Beispiel die von den Windmühlen
Quelle: Niederlande
Endpunkt der Tagesetappe ist Bergen op Zoom in der Provinz Noord-Brabant. Durchs Gevangenpoort, dem letzten verbliebenen Stadttor aus dem 14. Jahrhundert, geht es vorbei am Stadtpalast Markiezenhof bis in den Industriehafen, wo der Hotelkahn per App „Vesselfinder“ aufgespürt wird. Nicht immer ist schon beim Morgenbriefing sicher, wo der Kapitän später einen Liegeplatz findet.
Kurz darauf ist im Whirlpool Entspannung angesagt, die Waden sind müde. Unterhaltung bieten die Kräne am Kai, sie veranstalten eine Art Tanz: Ein Container hierhin, einer dorthin. Die Sonne geht unter, das Flutlicht an. Mehr Abwechslung bietet kaum eine andere Reiseform.
Eine viertägige Fahrrad-Flusskreuzfahrt von Amsterdam nach Antwerpen kostet ab 374 Euro pro Person; Boat Bike Tours verfolgt an Bord ein strenges Hygienekonzept. Juni-Touren sind ausgebucht, in Juli und August sind noch Plätze frei (radundschiffsreisen.de)
Quelle: Infografik WELT
Weitere Flusskreuzfahrten im Sommer 2021
Deutschland – Rhein-Romantik und der Wein
Ob die Loreley bei Sankt Goarshausen oder das Deutsche Eck bei Koblenz – Flusskreuzfahrten auf Rhein und Mosel zählen zu den Klassikern. A-Rosa organisiert achttägige Touren, die in Köln beginnen und dort auch wieder enden. Sie führen durch das Unesco-Welterbe Oberes Mittelrheintal mit seinem Reichtum an mittelalterlichen Burgen, über Bernkastel-Kues mit Weinprobe bei einem örtlichen Winzer bis Trier mit seinen römischen Baudenkmälern, eine der ältesten deutschen Städte (ebenfalls Unesco-Erbe); Touren starten wieder ab 17. Juli, ab 1199 Euro/Person (a-rosa.de).
Deutschland – von Berlin ans Meer
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Eine kombinierte Rad- und Schiffsreise kann man auch in Berlin beginnen. Lion Tours bietet einen Sieben-Tages-Trip mit Leihrädern (Zusatzgebühr: 75 Euro/Rad; 165 Euro/E-Bike). Die Route führt über den Oder-Havel-Kanal, die Oder und das Stettiner Haff bis Stralsund. Geradelt wird unter anderem durch das Ruppiner Land in Brandenburg, entlang der Boddenküste Vorpommerns und auf Rügen mit Zwischenstopp an den Kreidefelsen. Die Radtouren sind zwischen 15 und 45 Kilometer lang; Reisetermine wieder ab 3. Juli; ab 649 Euro/Person (lion-tours.de). Flusskreuzfahrten entlang der Oder an die Ostsee an Bord der „Princess“ haben auch andere Anbieter wie Dertour oder Rückenwind Reisen im Programm.
Österreich & Slowakei – Klassiker entlang der Donau
In der Drei-Flüsse-Stadt Passau, wo sich Inn, Ilz und Donau vereinen, beginnen viele Flusskreuzfahrten auf der Donau. Während sechs Tagen gleitet die „Maxima“ von Nicko Cruises durch die niederösterreichische Kulturlandschaft Wachau, wo sich die Burgruine Aggstein 300 Meter über dem Fluss erhebt (ein Besuch des Wachau-Wahrzeichens Stift Melk, Teil des Unesco-Welterbes, ist inklusive), durch Wien mit seinen Prachtbauten wie Staatsoper, Burgtheater oder Hofburg, und die slowakische Hauptstadt Bratislava. Schluss- und Wendepunkt der Reise ist Budapest; Touren ab 15. Juli; ab 429 Euro/Person (nicko-cruises.de).
Portugal – durch das Tal der edlen Tropfen
Der Douro in Portugal ist ein schmaler Fluss, durch den die flachen Rabelos-Boote Portwein transportierten. Mit Schiffen befahrbar ist das Gewässer dank Staustufen erst seit den 1980er-Jahren. Doch Weintrauben werden an den steilen Hängen seit 2000 Jahren kultiviert. Eine achttägige Flusskreuzfahrt des Anbieters Merkur-Reisen führt von Porto bis Barca d’Alva an der Grenze zu Spanien. Der Besuch einer Kellerei in Vila Nova de Gaia, Zentrum der Portweinproduktion, ist inklusive; Termine im Juli sind schon gut gebucht, ab August sind mehr Plätze verfügbar, ab 1179 Euro/Person (merkurreisen.de).
Frankreich, Schweiz, Deutschland – Dreiländer-Kreuzfahrt
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Ein- und ausgeschifft wird für diesen siebentägigen Flusstrip in Frankfurt am Main. In dieser Zeit kreuzt die „Anna Katharina“ auf dem Oberrhein bis Basel. Heidelberg mit der berühmten Schlossruine kann im Rahmen eines Ausflugs besichtigt werden, ebenso Colmar im Elsass; Termine ab 26. Juni, ab 999 Euro/Person (phoenixreisen.com).
Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von Boat Bike Tours. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit unter: axelspringer.de/unabhaengigkeit