Gefühle, Aufmerksamkeit, Streicheln, körperliche Nähe - all das bleibt in der Corona-Pandemie seit einem Jahr auf der Strecke. So suchen viele Menschen Freundschaft und Trost bei Haustieren. Seit dem ersten Lockdown gibt es geradezu einen Run auf Haustiere, egal ob Kätzchen, Welpen oder Kleintiere.
Daran hat sich bis heute wenig geändert. "Die Nachfrage bei unseren Züchtern ist immer noch extrem hoch", sagt Udo Kopernik, Pressesprecher beim Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) der DW. Die Internetseite des Verbandes, auf der Züchter ankündigen können, wann ihre Tiere Welpen erwarten, sei immer leer, so Kopernik. "Wenn es danach geht, gibt es angeblich keine Welpen." In Wahrheit würden viele Züchter schon gar nicht mehr ankündigen, wenn ihre Hündinnen tragend sind, weil sie nicht mehr von Nachfragen überrollt werden wollen. Manche hätte gar ihre Webseite vom Netz genommen.
Katzen sind noch beliebter als Hunde
Eine der wenigen, die noch einen Wurf auf der Onlineseite des VDH angekündigt hat, ist Josefine Munke. Sie züchtet Alaskan Malamute, eine Schlittenhunderasse. "Wir haben immer relativ viele Anfragen, weil es ja eine sehr seltene Rasse ist", erzählt sie der DW. "Aber momentan spottet es jeder Beschreibung." Auch das Niveau der Anfragen sei anders als sonst, sagt Munke. "Es sind viele Leute, die schnell einen Welpen wollen und die sich wenig informieren. Das macht sicherlich allen Züchtern momentan Bauchschmerzen."
Nachfrage treibt die Preise
Bauchschmerzen könnte es auch bei manchem künftigen Hundebesitzer geben, denn die hohe Nachfrage spiegelt sich in den Preisen für Welpen. "Die sind um etwa ein Drittel gestiegen", sagt Kopernick. Trotzdem können sich diejenigen glücklich schätzen, die überhaupt zum Zuge kommen.
"Biete Dackelwelpen" - diese Anzeige bei Ebay Kleinanzeigen hat bereits nach wenigen Minuten über 15.000 Aufrufe. Auch für den reinrassigen Pekinesewelpen haben sich nach nur zehn Minuten schon mehr als 3000 Menschen interessiert. Da müssen die Käufer nicht nur sehr schnell reagieren, sondern auch noch Glück haben, unter der Bewerberschar ausgewählt zu werden. Wählerisch zu sein kann sich da nicht jeder leisten. So erzählt eine junge Frau, die in der Eifel einen jungen Boxer spazieren führt, sie möge eigentlich gar keine Boxer, aber der sei der einzige Welpe gewesen, den sie bekommen konnte.
Illegale Importe steigen
Da die hiesigen Züchter die hohe Nachfrage nach Welpen nicht mehr bedienen können, locken Nachfrage und hohe Preise neue Anbieter auf den Markt. Schon vor Corona kamen relativ viele Tiere aus dem Ausland: gut 20 Prozent der Hunde und über fünf Prozent der Katzen. Das ergab die die Marktforschungsstudie "Hunde- und Katzen(halter) 2018" des Versicherers AGILA.
Auch die jetzige Angebotslücke wird durch Importe gefüllt, die zum Teil illegal sind. "Die Hunde, die hier über den Handel angeboten werden, kommen überwiegend aus Südosteuropa, aus Rumänien, Ungarn oder Bulgarien", sagt Kopernick. Inzwischen gebe es außerdem vermehrt einen Hobby-Import, wenn etwa ein ausländischer Arbeiter beim Heimaturlaub noch gleich ein paar Welpen einpackt, um sie hier zu verkaufen.
Den Regeln entsprechen solche Importe oft nicht. Mike Ruckelshaus von TASSO - die Tierschutzorganisation betreibt nach eigenen Angaben Europas größtes Haustierregister - warnt in Bezug auf den illegalen Online-Welpenhandel: "Fast alle Tiere sind krank, viel zu früh von der Mutter getrennt, ungeimpft und überleben häufig die ersten Lebensmonate nicht." Vor der Corona-Pandemie wären solche illegalen Importe hauptsächlich grenznah aufgetaucht, sagt Kopernick. Jetzt gebe es sie in ganz Deutschland. Auch der Tierschutzbund beklagt, dass der illegale Tierhandel durch Corona in Deutschland blüht.
Hundewelpen in einem von Fahndern angehaltenen Fahrzeug
Viele dieser Hunde werden beschlagnahmt und dann in Tierheimen wochenlang aufgepäppelt. Käufer können dort die überlebenden Welpen, die geimpft und in Quarantäne gehalten wurden, abholen. Zwar müssen sie dabei die entstandenen Kosten übernehmen, die würden sie aber durch die hohen Preise in der Regel wieder reinbekommen, meint Kopernick. Für die Tierheime seien die Welpen dagegen eine große Belastung.
Verzweifelte Suche nach dem tierischen Freund
Ein Indiz dafür, wie sehr die Nachfrage nach Hunden gestiegen ist, liefert das Haustierregister von TASSO. In ihrem ist rund die Hälfte der deutschen Hunde aufgeführt. Eine leichte Steigerung in den Registrierungszahlen ist nicht ungewöhnlich, da die Tierschutzorganisation von Jahr zu Jahr wächst. Während diese Steigerung in der Regel etwa bei vier Prozent im Jahresschnitt liegt, lag sie im letzten Jahr aber bei acht Prozent.
Nicht nur Hunde scheinen dabei die Herzen der Menschen zu erfreuen. Im Vergleich zum Vorjahr lebten 2020 eine Million mehr Hunde, Katzen, Kleinsäuger und Ziervögel in deutschen Haushalten - insgesamt knapp 35 Millionen Tiere - Zierfische und Terrarien-Tiere gar nicht mitgezählt. Das ergab eine Erhebung, die das Marktforschungsinstitut Skopos zu Beginn des zweiten Lockdowns im Herbst 2020 für den Industrieverband Heimtierbedarf (IVH) und den Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands (ZZF) durchgeführt hat.
Haustiere als Wirtschaftsfaktor
Haustiere fördern auch das Wirtschaftswachstum: "Heimtiere sind für viele Menschen Familienmitglieder, für deren Gesundheit Tierhalter bereit sind, Geld auszugeben", sagte Norbert Holtherich, Präsident des ZFF. Futter und Zubehör, Tierärzte, Versicherungen, Tierheime, Hundesteuer - insgesamt generierten Haustiere in Deutschland 2018 Umsätze von über 10 Milliarden Euro, so die Heimtierstudie von Renate Ohr, Professorin der Universität Göttingen.
Die Corona-Pandemie hat diese Umsätze wohl weiter in die Höhe geschraubt. Dementsprechend hat Fressnapf, Deutschlands Marktführer beim Thema Heimtierbedarf, im vergangenen Jahr das größte absolute Umsatzwachstum der Firmengeschichte erzielt. Und der Online-Händler Zooplus hob dreimal seine Prognose an und erwartete zuletzt einen Umsatz von rund 1,8 Milliarden Euro.
Warnung vor Hunde-Diebstahl in Großbritannien
Eine hohe Nachfrage nach tierischen Freunden gibt es nicht nur in Deutschland. Auch in anderen Ländern wie der Schweiz oder in Frankreich wünschen sich mehr Menschen ein Haustier. Auch in Großbritannien gibt es immer mehr illegale Hunde-Importe.
Die Briten gelten als große Hundeliebhaber
Gleichzeitig steigt auch die Zahl von Diebstählen. Seit März 2020 nahm die Zahl der Hundediebstähle um etwa 250 Prozent zu, heißt es von der Organisation DogLost. Sie führt eine Online-Datenbank, auf der Besitzer ihre vermissten Hunde suchen können.
"Ich mache dies jetzt seit 30 Jahren, und 2020 war das schlimmste Jahr bisher," sagt Wayne May von DogLost. "Vor der Pandemie waren es Gelegenheitsdiebstähle", so May. "Das hat sich letztes Jahr alles verändert. Wir haben jetzt organisierte Banden, die Hunde stehlen, um mit ihnen zu züchten oder eine Belohnung oder ein Lösegeld zu kassieren."