Es gibt beim Veganismus weder vegane Götter, noch heilige (Koch-)Bücher, ein Glaubensbekenntnis und auch keine veganen Tempel, Kirchen oder ähnliche Orte. Es gibt kein veganes Mekka, Jerusalem oder Rom.Vegan zu werden fühlt sich genau genommen grade umgekehrt an, nämlich wie aus einer Sekte aus- statt in eine einzutreten. Man könnte auch sagen, man steigt, wenn man sich den Veganismus zu eigen macht, aus dem allgegenwärtigen Glaubenskonstrukt, der Glaubensüberzeugung, der Glaubensgewissheit aus, welche die angeblich (bei Religioten) gottgegebene bzw. (bei Humanisten) evolutionäre Überlegenheit der Menschen über den Rest der Erdenbewohner garantiert. Veganer sehen die Menschen schlicht nicht länger als Krone der Schöpfung an, und zwar ganz egal, ob uns diese Krone vermeintlich von Gott aufgesetzt wurde oder ob wir uns diese selber aufgesetzt haben. (Was im Grunde ja noch eine Ecke peinlicher ist.) Tiere sind nicht für sondern mit uns auf dieser Welt. So die vegane Überzeugung.
Humanisten machen sich ja häufig und völlig zurecht lustig über die sog. Religioten (wie ich übrigens auch), weil diese für rationale Gegenargumente zu ihrem Glauben einfach nicht (mehr) zu kriegen sind. Da kann man noch so viele naturwissenschaftliche Studien von welchem Experten oder welcher Universität auch immer anführen, zitieren, wiedergeben, wie man will. Hartgesottene Religioten davon zu überzeugen, dass sie lediglich einer Wahnvorstellung unterliegen, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Wie formulierte Mark Twain sinngemäß so treffend ? „Es ist leichter, jemanden zu belügen, als ihn davon zu überzeugen, dass er belogen wurde.“
Übertragen auf das Thema Fleischessen/Veganismus heißt das: es ist nach wie vor leichter, die Menschen glauben zu machen, es sei gesund und natürlich und normal etc., Tiere bis sprichwörtlich aufs Blut auszubeuten, als sie davon überzeugen, dass sie von der tierausbeutenden Industrie belogen wurden, respektive werden. Nämlich über die wahren ökologischen, sozialen, medizinischen Folgen und Kosten (die die Nachwelt zu tragen hat) und vor allem über die unfassbare Gewalt, die diesem pervertierten System innewohnt. Man ahnt zwar, will aber dann doch lieber nicht wissen. Man würde ja Gefahr laufen, sich am Ende gar eine Lebenslüge eingestehen zu müssen.
Dass nun aber ausgerechnet Humanisten, die ja erstens in der Regel nicht grade auf den Kopf gefallen sind und es zweitens geschafft haben, sich trotz religiöser Gehirnwäsche in Kinder- und Jugendzeiten vom Glauben und der Religion loszusagen, nicht durchschauen, wie die gesamte Tierausbeutungsindustrie versucht, uns seit Jahrzehnten mit ähnlichen betrügerischen Mitteln zum Fleisch-, Eier-, Milchkonsum zu bewegen bzw. fast schon zu nötigen, das erstaunt und irritiert schon gewaltig. Schon zu Kindertagen wird man ja auf Fleischverzehr konditioniert („Darf ich ihrem Kleinen ein Rädchen Wurst geben ?“), obwohl doch alle Kinder in der Regel Tiere lieben. Ist das nicht der Fall, gelten sie denn auch sofort als verhaltensauffällig. Man gebe einem dreijährigen Kind einen Hasen und einen Apfel. Mit wem würde das Kind wohl spielen, wen oder was wird es aufessen wollen ? Kein Kind wäre damit einverstanden, das geliebte Haustier Hund, Katze oder Kaninchen eines Tages auf dem eigenen Teller wiederzufinden. Die natürliche Empathie gegenüber den nicht-menschlichen Tieren ist angeboren, wird einem aber mit zunehmendem Alter sukzessive abtrainiert, vor allem gegenüber unseren sog. Nutztieren. Diese darf man, ach, diese soll, diese muss man nämlich nutzen, wie der Name ja schon sagt: benutzen, ausnutzen, vernutzen. Dafür sind sie schließlich da. Und mit der Zeit glauben wir dann tatsächlich und frei von jeglichen Zweifeln: die Bestimmung des Schweines ist das Schnitzel. Und bestimmt freut es sich auch schon auf den Schlachthof.
Und so werden die Profiteure der Tierqualindustrie auch weiterhin nicht müde, uns weißmachen zu wollen, dass Fleisch-, Eier-, Milchkonsum natürlich, normal und notwendig seien. Und alle drei n stimmen schon lange nicht mehr, haben vielleicht sogar noch nie gestimmt. (Siehe dazu Melanie Joys Buch „Warum wir Hunde lieben, Schweine essen und Kühe anziehen“, in welchem sie die drei n in aller Klarheit und Ausführlichkeit auseinandernimmt und widerlegt.)
Wer, wenn nicht die Humanisten wäre dafür prädestiniert, diese analogen Strategien der Gehirnwäsche der Kirchen/der Tierqualindustrien zu durchschauen und dementsprechend abzulehnen und zu bekämpfen ? Dahinter steht sowohl hier als auch da einzig Profit und Gier. Ich staune deshalb gewaltig über viele angebliche Humanisten - und noch mehr über Humanistinnen, die genau wie die Religioten nicht in der Lage oder nicht willens sind, ihre eigene Überzeugung, ihr eigenes Handeln zumindest einmal vorurteilsfrei auf den ethischen, ökologischen, sozialen Prüfstand zu stellen. Wie formuliert man nochmal das Gegenteil von „chapeau“ ?
„Wir erleben gerade den Anfang vom Ende der Fleischindustrie“ titelte vor kurzem „Die Welt“. Denn das vegane Zeitalter hat begonnen. Und das hoffe ich nicht nur inständig, sondern ich bin inzwischen sogar fest davon überzeugt, das die Zukunft vegan sein muss ! Oder sie wird nicht mehr sein. Zumindest nicht länger für uns Menschen. Was für den Planeten Erde ja auch eine Lösung wäre. Vielleicht die Er-Lösung.