Schon als Kind begeisterte er sich für das Naturhistorische Museum in seiner Heimatstadt. Als junger Biologielehrer organisierte er Führungen durch das Haus, 1995 stieg er zum Kurator auf und schließlich zum Direktor. Das Drama um die vergewaltigte Ente wurde zur Geburtsstunde einer Kunstfigur: Moeliker gab in der Folge den leicht abgedrehten Biologen, der etwas linkisch wie der Sänger Gottlieb Wendehals im Fernsehen oder auf Podien auftritt und über abseitige sexuelle Vorlieben im Tierreich referiert. "Glaubt mir", ist einer seiner Lieblingssätze, "wenn es irgendwo auf diesem Planeten ein Tier gibt, das sich danebenbenimmt, dann weiß ich davon." Gern bewegt er sich bei seinen Vorträgen unterhalb der Gürtellinie, was sich auch an den Titeln seiner Bücher ablesen lässt. Sein neues Werk heißt "Die Klöten des Spatzes".
Anfangs fragte er sich noch, ob er genug Tiere für seine Ausstellung finden würde, die auf ungewöhnliche Weise ums Leben gekommen sind. Doch die Sorge erwies sich als unbegründet. Zumindest in den Niederlanden ist der makabre Museumsdirektor inzwischen so bekannt, dass ihm laufend neue Exponate zugeschickt werden. Einmal fand er in der Post sogar eine Sendung aus dem Justizministerium. Dabei handelte es sich um eine Margarineverpackung, in die ein Spatz eingesargt war. Vorausgegangen war die öffentliche Erschießung des Vogels.
Der Spatz war auf das Gelände vorgedrungen, von dem aus der Fernsehsender RTL die Sendung "Domino Day" übertragen wollte. Helfer waren gerade dabei, dort vier Millionen Dominosteine für einen neuen Weltrekord aufzubauen. Doch der Spatz sabotierte die Vorbereitungen, indem er immer wieder Dominosteine umkippte.
Nachdem er bereits Tausende Steine umgeworfen hatte, wurde der Vogel mit einem Präzisionsluftgewehr erlegt.
Die Empörung war groß.
Der Schütze erhielt Morddrohungen. Die Behörden schalteten sich ein. Ein Beamter des Justizministeriums beschlagnahmte den Kadaver des Störenfrieds. In der Öffentlichkeit entbrannte eine Grundsatzdebatte: Was zählt das Leben eines Tieres, wenn es den Bedürfnissen des Menschen in die Quere kommt? Moeliker musste derweil hart mit dem Justizministerium über die Herausgabe des Dominospatzes verhandeln. Erst nach einem Jahr rückten die Beamten das tote Tier heraus.
Das Zögern war ungewöhnlich; denn mittlerweile gilt es in den Niederlanden als große Ehre, sich mit einer Kadaverspende für einen Vitrinenplatz im Naturhistorischen Museum Rotterdam zu qualifizieren - auch wenn es dafür kaum mehr gibt als den sprichwörtlich warmen Händedruck. "Wenn Leute hier persönlich vorbeikommen, spendieren wir ihnen natürlich eine Tasse Kaffee", sagt Moeliker.
Dennoch kommt es vor, dass ihm eine Kostbarkeit entgeht. Wie ein Galerist, der nach neuen Gemälden fahndet, durchsucht Moeliker die Rubrik Vermischtes der Tageszeitungen nach geeigneten Todesfällen. Im vergangenen Winter machte er dabei einen spektakulären Fund.
In dem baden-württembergischen Städtchen Fridingen hatte ein Fuchs versucht, die zugefrorene Donau zu überqueren, war dabei aber eingebrochen und ertrunken. Jäger sägten ihn als Eisblock aus dem Fluss.
Moeliker schmiedete schon Pläne für eine technische Vorrichtung, mit der es möglich gewesen wäre, den Fuchs dauerhaft im Eis zu konservieren.
Doch er kam zu spät. Die Jäger hatten den gefrorenen Kadaver bereits auftauen lassen. "Eine Schande", empört sich Moeliker.
So bleibt eine verblichene Zwergfledermaus aus Stuttgart vorerst das einzige Exponat aus Deutschland. Deren Ende gilt den Rotterdamer Ausstellungsmachern als eindrucksvoller Beleg dafür, dass im Tierreich bereits kleine Fehlentscheidungen große Wirkungen haben können.
Die Fledermaus war in eine Packung mit Frühstücksflocken gekrochen, hatte dann aber den Ausgang nicht wiedergefunden. Da das Tier mit der kohlenhydratreichen Kost nichts anzufangen wusste, ist es in dem Karton verhungert.
Kees Moeliker sitzt zwar jetzt im Direktorenzimmer des Museums,
doch der Ausblick ist immer noch der gleiche wie beim Crash der Ente, mit dem alles anfing. Und auch heute noch fliegen immer wieder Vögel gegen die Glasfassade, darunter häufig Tauben, was für die Tiere selten gut ausgeht. Eines Tages erspähte Moeliker auf dem Wiesengrundstück vor dem Gebäude mehrere enthauptete Tauben - ein rätselhafter Fund.
Durch intensive Beobachtung gelang es ihm schließlich, auch diesen Kriminalfall zu lösen. In den gegenüberliegenden Bäumen hatten sich Krähen postiert, die auf den nächsten Kollisionsflug einer arglosen Taube warteten. Unmittelbar nach einem Crash eilte ein Aasfresser herbei und hackte dem Unglücksopfer den Kopf ab - ein nur scheinbar grausames, in Wahrheit aber vernünftiges Verhalten.
"Der Kopf ist ein schnell greifbarer Snack, und das Gehirn enthält viel Fett und Proteine", sagt Moeliker. "Würden die Krähen versuchen, den ganzen Körper wegzuzerren, würden sie damit nur Nahrungskonkurrenten auf das Geschehen aufmerksam machen." Ehrensache, dass einer der geköpften Tauben jetzt eine Vitrine im Museum gewidmet wurde.
Doch Moeliker hätte es ungerecht gefunden, nicht auch die Schläue der Rabenvögel zu würdigen. Also ließ er vor dem Gebäude eine übermannshohe Krähenfigur aufstellen.