Bevor man sich einen Hund zulegt, sollte klar sein, dass man der Sache gewachsen ist. Warum sich nicht mit einem Pflegehund aus dem Tierschutz rantasten? Doch das benötigt längerfristiges Engagement.
Berlin - Anna Wilhelm (Name geändert) hatte sich schon länger ein Haustier gewünscht, zweifelte aber, ob sie diese Aufgabe auch langfristig stemmen können würde. Eine Bekannte riet der heute Mittdreißigerin, sich doch beim Tierheim zu melden. Denn dort gebe es Bedarf nach Pflegestellen, die Tiere vorübergehend in Obhut nehmen.
„Ich fand das klang einfach sehr positiv für alle Beteiligten“, erinnert sich Wilhelm. 2016 wandte sie sich daraufhin an den Tierschutzverein für Berlin (TVB).
Pflegehaushalt muss zum Pflegehund passen
Beim TVB ist Tierärztin Martina Winkler unter anderem für die Auswahl der Pflegestellen zuständig. Auch Wilhelm vermittelte sie ihren ersten Pflegehund. Aktuell seien über 360 Personen in der Kartei, davon suchten einige aber auch Katzen oder Wildtiere wie Igel und Vögel, die aufgepäppelt werden müssen. Sobald ein Hund eine Pflegestelle benötigt, telefoniert Winkler die dafür in Frage kommenden Personen ab.
„Manche schlummern auch monatelang in der Liste, ohne dass ich anrufe“, erzählt Winkler. Denn jedes Tier habe unterschiedliche Bedürfnisse. „Ich gucke mir an, ob der Hund in eine Familie mit Kindern oder anderen Haustieren passt oder ob nur ein einzelner Mensch mit viel Vorerfahrung in Frage kommt.“
Wer unbedingt einen Welpen in Pflege nehmen wolle, hat eher schlechte Karten. Zum einen bestehe eine Voraussetzung darin, rund um die Uhr Zeit zu haben. Außerdem seien etwa 90 Prozent der Welpen „Tollwut-Beobachtungs-Hunde“, also Welpen, die ohne Papiere und Impfungen illegal aus dem Ausland eingeführt wurden.
Pflegeeltern für Welpen sollten über Garten verfügen
Die Pflegeeltern müssen dann selbst gegen Tollwut geimpft sein und strenge Quarantäne-Auflagen erfüllen, wie zum Beispiel über einen eigenen Garten verfügen. Kinder und andere Haustiere sind tabu. „Es ist sehr selten, dass jemand alle Bedingungen mitbringt. Momentan habe ich eine Person auf der Liste. Das ist schade, denn so müssen die Welpen eine sehr wichtige Entwicklungsphase hier bei uns im Tierheim verbringen,“ erzählt Winkler.
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Wer einen Welpen zur Pflege aufnehmen möchte, muss strenge Auflagen erfüllen.
© Silke Heyer/dpa-tmn
Für Menschen ohne Hundeerfahrung ist ein Welpe, nach Ansicht der Tierärztin, zum Einstieg auch nicht unbedingt geeignet: „Die besten Anfängerhunde sind für mich erwachsene Hospiz-Hunde.“ Ein bisschen Ahnung schade zwar nicht, aber ein älterer Hund, der bereits an Menschen gewöhnt ist, sei viel einfacher in der Betreuung.
Sobald eine von Winklers Pflegestellen am Telefon zustimmt, wird ein Schnuppertermin verabredet. Im Normalfall könne das Tier dann am selben Tag mit nach Hause genommen werden. Die Kosten für tierärztliche Versorgung und Futter trage der Verein.
Um Hospiz-Hunde kümmert man sich bis zum Lebensende
Wie lange man das jeweilige Tier in seine Obhut nimmt, sei vorher nicht abzusehen. Jüngere und gesunde Hunde verblieben normalerweise in der Pflegestelle, bis sich eine Adoptions-Familie gefunden habe. Um einen Hospiz-Hund kümmert man sich dagegen bis zu seinem Lebensende. „Das geht von nur einer Woche bis hin zu zwei oder drei Jahre. Todgeweihte leben nämlich häufig doch länger“, sagt Winkler.
Auch der erste Hund von Anna Wilhelm war ein sehr alter und bereits kranker Hund. Fünf Monate blieb er bei ihr, bis er an Nierenversagen starb. „Das war eine harte aber auch sehr lehrreiche Zeit,“ erinnert sich Wilhelm. Später nahm sie dann eine knapp zwei Jahre alte Hütehündin bei sich auf, die den Vorbesitzern durch das Veterinäramt entzogen worden war. Die Gründe dafür kennt Wilhelm nicht. Als nach sechs Monaten Prozess ein Gericht urteilte, dass die Hündin nicht in ihr altes Zuhause zurückdarf, entschied Wilhelm sich dafür, sie selbst zu adoptieren.
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In Tierheimen gibt es einen großen Bedarf nach Pflegestellen, die Hunde vorübergehend aufnehmen.
© Andrea Warnecke/dpa-tmn
Das ein Hund von der Pflegestelle selbst adoptiert wird, sei laut Winkler eher die Ausnahme. „Natürlich freut mich das, aber es ist auch schade, wenn uns dann eine zuverlässige Pflegestelle verloren geht.“ Denn am liebsten gibt die Tierärztin Hunde zu Menschen, mit denen sie bereits gute Erfahrungen gemacht hat.
Für Familien, die mit einem Pflegehund nur einmalig testen wollen, ob ein Haustier langfristig überhaupt in ihren Alltag passt, empfiehlt die Tierärztin daher, dies lieber über eine Urlaubsbetreuung von Hunden aus dem Bekannten- und Freundeskreis auszuprobieren oder einen Gassi-Geh-Service in der Nachbarschaft anzubieten. dpa